3SAT
3SAT Di.. 18.02.
Doku
Melanie wurden Opioide verschrieben. Doch niemand sagte ihr, dass sie süchtig machen können. ZDF/Marian Lenhard
Fabio (l.) und andere junge Männer sprechen in der Lyrikgruppe über ihre Gefühle, die ohne die Drogen nicht mehr gedämpft sind. ZDF/Vita Spieß
Melanie wusste lange nicht, dass ihre Teilnahmslosigkeit eine Nebenwirkung der Opioide war. ZDF/Marian Lenhard
Stadtkind Fabio macht eine Entwöhnung bei einer abgelegenen Selbsthilfeorganisation auf dem Land. ZDF/Vita Spieß
Bücher statt Drogen - Fabio lernt seine Gefühle neu kennen. ZDF/Vita Spieß
Jugendliche nehmen opioidhaltige Schmerzmittel immer häufiger als Droge. ZDF/Vita Spieß
Als Melanie merkte, dass sie süchtig war, machte sie einen kalten Entzug. ZDF/Marian Lenhard
Strandbar mit alkoholfreiem Cocktail: ein starker Kontrast zu Klaus Leben vor seiner Lebertransplantation. ZDF/Vita Spieß
Süchtig zu sein konnte sich Melanie nie vorstellen. Dann wurden ihr Opioide verschrieben. ZDF/Marian Lenhard
Der 21-jährige Fabio kann nach acht Monaten Entwöhnung endlich wieder allein mit seinen Gedanken sein. ZDF/Vita Spieß

Nebenwirkung: Sucht

Wenn Schmerzmittel krank machen

  • 30'
Jetzt LIVE streamen
Dokumentation

Inhalt

In unserer Leistungsgesellschaft müssen wir funktionieren. Schmerzen werden gerne schnell bekämpft. Mit rezeptpflichtigen und freien Medikamenten, die oft heftige Nebenwirkungen haben. Über Schmerzmittelsucht zu sprechen, ist ein Tabu. Dabei geht man von über 1,6 Millionen Abhängigen in Deutschland aus. In "37°" erzählen drei Betroffene, wie sie durch ihre Schmerzen in einen Teufelskreis aus Abhängigkeit und Krankheit geraten sind. Melanie (44) erlitt vor vier Jahren bei einem Fahrradunfall ein schweres Schädelhirntrauma. Es entwickelte sich bei ihr das komplexe, regionale Schmerzsyndrom . Verschrieben wurden ihr starke Schmerzmittel, darunter Opioide. Diese dämpften die Schmerzen, doch auch die sonst so lebensfrohe Melanie stumpfte ab. Selbst wenn ihr Mann, mit dem sie seit zwanzig Jahren glücklich zusammen ist, "Ich liebe dich" zu ihr sagte, fühlte sie wenig. "Ich hatte das Gefühl, innerlich tot zu sein." Dass ihre Teilnahmslosigkeit eine Nebenwirkung der Opioide war, realisierte sie zunächst nicht. Erst als sie nicht mehr wirkten und ein Arzt stärkere empfahl, traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag: "Ich bin opioidabhänig!" Melanie entschied sich für einen krassen Schritt: einen kalten Entzug im hauseigenen Badezimmer. Ihre chronischen Schmerzen sind geblieben und schränkten die Versicherungsmitarbeiterin lange im Job, Familienleben und in ihrer Freizeit ein. "Trotzdem geht es mir viel besser, weil ich wieder fühlen kann!" Ihre Schmerzen bekämpft Melanie nun fast ganz ohne Medikamente und durch eine multimodale Schmerztherapie. "Meine Kindheit war nicht sehr glücklich", erzählt Fabio (22). "Ich habe viel Einsamkeit, Überforderung und Kälte erlebt". Mit 13 Jahren entdeckte er eine chemische Möglichkeit, sich das Gefühl von Wärme und Liebe zu holen - durch Opioide. Er fing mit Codein in Hustensaft an, steigerte seinen Konsum irgendwann mit Tilidin und Oxycodon. Bald landete er beim Heroin. "Es war ein so wohliges Gefühl. Als würde dich deine liebste Person umarmen." Im Alter zwischen 15 und 21 konsumierte er fast täglich. Einige Male war er wegen Überdosen dem Tod sehr nah. Seine Freunde redeten ihm intensiv ins Gewissen, doch endlich zu entziehen. Trotz inneren Widerstands schaffte es Fabio, in die Drogen-Selbsthilfe Fleckenbühl zu gehen. Nach einem harten Entzug lernt er dort mit Hilfe eines Lyrikkurses und der Gemeinschaft seine Gefühle wieder kennen, die nun ohne die Drogen ungedämpft ans Licht kommen. Der Student hofft, nach einem Jahr Drogenfreiheit seinen Clean-Geburtstag feiern und vielleicht sogar wieder zurück in sein "normales" Leben finden zu können. Klaus musste fit sein und täglich "abliefern". Sein Beruf als selbständiger Tennistrainer und Veranstalter für Sportreisen verlangte ihm viel ab. Mit den Jahren häuften sich jedoch körperliche Beschwerden. Er litt an starken Schmerzen in Knien und Handgelenk. Daher nahm Klaus über einige Jahre regelmäßig rezeptfreie Schmerzmittel ein - Diclofenac und Ibuprofen. Um einsatzfähig zu bleiben, steigerte er rasch die Dosen. Das ein oder andere Glas Wein verstärkte ihre Wirkung noch zusätzlich. Nach Jahren der Tabletteneinnahme versagten plötzlich seine Leber und Nieren. Fast ein Jahr lag der einstige Sportler im Krankenhaus und bekam - dem Tode nah - eine Lebertransplantation. Seine Schwester und sein bester Freund hielten zu ihm. Doch mit seinem körperlichen Zusammenbruch erlebte Klaus auch einen sozialen Abstieg: Er verlor seine Firma, seine Wohnung, sein Auto. Heute lebt der 67-Jährige von Grundsicherung und leidet weiter unter ständigen Schmerzen. Die einzigen Schmerzmittel, die er aufgrund seiner geschädigten Organe noch nehmen kann, sind Opioide. Seinen sportlichen Ehrgeiz hat Klaus dennoch nicht verloren und so kämpft er täglich darum, seinen Bewegungsradius ein klein wenig zu erweitern. In unserer Leistungsgesellschaft müssen wir "funktionieren" - seelisch und körperlich. Das schafft ein gefährliches Einfallstor für einen allzu leichtfertigen Umgang mit Medikamenten. In "37°" berichten Melanie, Klaus und Fabio von ihrer Abhängigkeit von rezeptpflichtigen und rezeptfreien Schmerzmitteln und ihrem schwierigen Weg, sich aus der Abwärtsspirale zu befreien und einen neuen Umgang mit Schmerz zu lernen.

Sendungsinfos

Von: Simone Jung, Yasmin C. Rams VPS: 18.02.2025 00:15, Untertitel, Hörfilm, Stereo
Sender auswählen

Jetzt in der Senderleiste auf klicken.

Gelesen
Seite merken

Lesezeichen für tvheute.at erstellen:
Jetzt in der Symbolleiste auf klicken.

Gelesen
Sender navigieren
links | rechts
WISCHEN